Dies ist ein Gastbeitrag von Become Wealthy
Arbeits- und Familienmodelle sind im Wandel und auch die Ehe ist keine Lebensversicherung mehr, wie dies das Bundesgericht unlängst in verschiedenen unterhaltsrechtlichen Entscheiden geurteilt hat. Die Finanzwelt hat den veränderten Zeitgeist erkannt: Frauen sind eine bedeutende Zielgruppe für Finanzprodukte und werden mit spezifisch für Frauen entwickelten Angeboten oder Beratungen umworben. Auf den ersten Blick mag dies als positive Entwicklung erscheinen, da die Beteiligung von Frauen an den Finanzmärkten weiterhin verhältnismässig gering ist. Es stellt sich aber die Frage, ob frauenspezifischen Finanzangebote tatsächlich einen Mehrwert bieten oder doch vielmehr nur ein Marketing-Phänomen sind, um Frauen zum Abschluss von Finanzprodukten zu bewegen.
Frauen und die verpassten Chancen mit dem Sparkonto
Frauen legen ihr Erspartes oft auf das Privat- oder Sparkonto, dadurch entgehen ihnen Erträge, die sie mit Investitionen in Aktien, Obligationen oder Immobilien erzielen könnten. Das Privat- und Sparkonto sind in Zeiten von niedrigen Zinsen und Inflation einem realen Wertverlust ausgesetzt.
Mangelndes Finanzwissen und Risikoscheu
Was sind die Gründe für die Entscheidung vieler Frauen, ihr Geld im Vergleich zu Männern konservativer anzulegen? In einer Studie der Zurich Versicherung und des Vereins Geschlechtergerechter gaben nur 32 Prozent der Frauen an, einen Teil ihrer Ersparnisse in Aktien oder Fonds zu investieren, verglichen mit 48 Prozent der Männer. Die tiefere Beteiligung an den Finanzmärkten lässt sich mitunter auf das mangelnde Vertrauen vieler Frauen in ihre finanziellen Fähigkeiten zurückführen.
Mangelnde Finanzkenntnisse und mangelndes Interesse am Thema Finanzen sind in der Schweiz ganz allgemein ein Problem. Bei Frauen ist erfreulicherweise ein Wandel spürbar, aber das Interesse am Thema hält sich immer noch stark in Grenzen. Aber auch historisch und kulturell gewachsene Faktoren verstärken dieses Bild. Es ist noch nicht allzu lange her, da durften Frauen in der Schweiz ohne die Zustimmung ihres Mannes kein eigenes Konto eröffnen oder einer Erwerbstätigkeit nachgehen – Geld wurde ganz selbstverständlich als Männerthema angesehen.
Unterschiede im Anlageverhalten von Frauen und Männern
Auch das Anlageverhalten unterscheidet sich: Untersuchungen zeigen, dass Frauen eher langfristige Anlagestrategien verfolgen und sich weniger vom Auf und Ab der Börse aus der Ruhe bringen lassen, was eine sehr gute Voraussetzung fürs Investieren ist. Frauen neigen im Gegensatz zu Männern ausserdem weniger dazu, sich zu überschätzen, was sich positiv auf den Anlageerfolg niederschlagen kann. Beim Thema Nachhaltigkeit scheint es ebenfalls Unterschiede zu geben. Frauen legen tendenziell grösseren Wert auf ökologisch und ethisch nachhaltige Investments, wie eine Umfrage von JP Morgan Asset Management zeigte.
In Studien wurde festgestellt, dass Frauen durchschnittlich eine leicht höhere Rendite erzielen als Männer. Diese höhere Rendite wird auf die geringere Handelsaktivität und die langfristige Perspektive zurückgeführt.
Finanzprodukte für Frauen: Ein zweischneidiges Schwert?
Die Finanzwelt ist aktuell daran, das Scheinwerferlicht stärker auf die Zielgruppe Frauen auszurichten und das ist gut so. Es ist entscheidend, dass sich Frauen mit dem Thema Finanzen auseinandersetzen. Dies ist auch wichtig, weil Frauen mit anderen Herausforderungen und Fragestellungen konfrontiert sind als Männer:
- Höherer Anteil an Teilzeitarbeit: Frauen arbeiten in der Schweiz öfter Teilzeit als Männer. Das kann dazu führen, dass die berufliche Altersvorsorge nicht ausreichend ist, um den künftigen finanziellen Bedarf zu decken. Deshalb ist ergänzendes privates Vorsorgesparen entscheidend.
- Höhere Lebenserwartung: Frauen leben in der Schweiz rund vier Jahre länger als Männer. Damit müssen Frauen mit einem längeren Vorsorgezeitraum kalkulieren, können sich aber auch über einen längeren Anlagehorizont freuen.
- Vorsichtiger Anlageansatz: Frauen verfolgen im Vergleich zu Männern einen vorsichtigeren Investitionsansatz. Frauen sehen Vermögen eher als Sicherheit und weniger als Chance – sie bevorzugen es, sich gegen Unvorhersehbares stärker abzusichern, womit die Anlagerisikobereitschaft an den Finanzmärkten geringer ist.
Es drängt sich die Frage auf, ob spezielle Finanzprodukte für Frauen notwendig sind, um dem abweichenden Anlageverhalten und dem tieferen Finanzinteresse gerecht zu werden. Wie festgestellt, tendieren Frauen zu einem langfristigeren und risikoaverseren Investmentansatz, was ihnen oft zu besseren Anlageergebnissen verhilft. Diese Stärken sollten genutzt werden, dürfen aber nicht dazu führen, dass Frauen durch spezielle und oft teure Produkte benachteiligt werden.
Wenn das Problem nämlich nicht beim Anlageverhalten, sondern beim tieferen Vertrauen von Frauen in ihre Finanzkompetenz und dem tieferen Interesse am Thema zu finden ist, muss bei der finanziellen Bildung angesetzt werden.
Frauen an die Börse: Finanzwissen als Schlüssel
Um die Beteiligung von Frauen an den Finanzmärkten zu erhöhen, ist gezielte Finanzbildung unerlässlich. Eine Untersuchung des Forschungsinstituts Sotomo zeigt, dass Frauen ihr Wissen über Finanzprodukte und Anlagen im Schnitt eher als schlecht einschätzen, während Männer ihr Wissen eher als gut bewerten. Frauenspezifische Finanzthemen und Interessen müssen in Blogs, Podcasts, Live-Talks, usw. adressiert werden. Auch die Finanzdienstleister sind gefordert, ihren Aussenauftritt so zu gestalten, dass sich auch die weibliche Zielgruppe angesprochen fühlt.
Finanzwissen ist die Voraussetzung dafür, um selbstbewusste und fundierte Finanzentscheidungen treffen und Verantwortung für die eigene finanzielle Zukunft übernehmen zu können.
Die Wahl des passenden Angebots: Warum spezielle Finanzprodukte für Frauen meist nicht die beste Wahl sind
Was bedeutet dies nun für die Wahl der passenden Finanzprodukte? Es ist einfach – Frauen sollten bei der Wahl ihrer Finanzprodukte dieseleben Kriterien befolgen, wie Männer. Erst bei der Strategiebestimmung wird den teils unterschiedlichen Bedürfnissen Rechnung getragen. Aber auch hier dürfen die Unterschiede zwischen Frauen und Männer nicht überbewertet werden, da für die Wahl des passenden Anlagemixes stets die individuelle Situation und persönlichen Präferenzen berücksichtigt werden müssen – das gilt für Frauen und Männer. Mit anderen Worten sind die Unterschiede der persönlichen Lebensumstände deutlich grösser als die Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Bei jeder Strategiebestimmung muss unabhängig vom Geschlecht die subjektive Risikobereitschaft und objektive Risikofähigkeit bestimmt werden.
Um folglich gute – egal ob «frauenspezfische» oder «allgemeine» –Finanzprodukte von schlechten zu unterscheiden, sollten stets folgende Punkte beachtet werden:
- Niedrige Kosten: Eine klassische Anlagestrategie – z.B. eine globale Strategie, bei welcher sich die Aktiengewichtung an der Grösse der jeweiligen Märkte (Marktkapitalisierung) orientiert – wird bei verschiedenen Anbietern sehr ähnlich umgesetzt. Gewissermassen wird überall mit Wasser gekocht. Entscheidende Unterschiede gibt es aber bei den Gebühren. So sind die Verwaltungsgebühren bei speziell an Frauen gerichtete Produkte oft höher. Hohe Gebühren und Gebühren überhaupt schmälern die Rendite. Nur schon ein vermeintlich geringes Prozent macht über die Zeit aufgrund des Zinseszinseffekts einen grossen Unterschied. Ein Beispiel: Stellen Sie sich vor, Sie investieren 150’000 Franken für 15 Jahre. Wenn Sie eine durchschnittliche jährliche Rendite von 5% erzielen – inklusive einer zusätzlichen Rendite von 1% aufgrund geringerer Kosten – werden Sie nach 15 Jahren rund 42’000 Franken mehr haben. Mit einem Zinseszinsrechner lässt sich der Effekt mit eigenen Zahlen simulieren.
- Transparenz: Wenn marketingtechnisch primär das Geschlecht in den Vordergrund gestellt wird, besteht die Gefahr, dass das konkrete Finanzprodukt – oft ganz bewusst – in den Hintergrund gerät und über Gebühren und Konditionen nur unzureichend und intransparent informiert wird. Dabei ist Transparenz einer der wichtigsten Faktoren für das Vertrauen in Finanzprodukte.
- Flexibilität und niedrige Einstiegshürden: Ein weiterer wichtiger Faktor sind flexible Sparpläne und tiefe Einstiegshürden. Insbesondere für Frauen können das wichtige Anlagevoraussetzungen sein, da viele Frauen ihre Karriere aufgrund der Familienplanung einschränken, womit in der Regel auch finanzielle Einbussen einhergehen. Kein Lock-in, keine Mindestlaufzeiten, keine Mindestanlagen und jederzeitige Kündbarkeit sind wichtige Voraussetzungen, um den vielfältigen Lebensrealitäten möglichst flexibel gerecht zu werden.
- Passende Strategie & Risikostruktur: Den individuellen Bedürfnissen wird im Rahmen der Strategiebestimmung Rechnung getragen. Zunächst muss das Risiko so gewählt werden, dass Sie sich noch wohl fühlen. Die Strategie muss gleichzeitig auf Ihre persönlichen Lebensumstände (Anlagehorizont, Sparquote, etc.) sowie Vermögenssituation abgestimmt sein.
Spezielle «Frauen-Produkte» suggerieren gerne, dass diese Kriterien nicht im Vordergrund stünden. Stattdessen wir ein Gefühl der Exklusivität, Zugehörigkeit und besonderen Behandlung vermittelt beziehungsweise teuer verkauft.
Vergleichen lohnt sich
Frauenspezifische Angebote sind in der Schweiz auf dem Vormarsch – seien es Beratungen oder Anlageprodukte, die mit dem Frauen-Label verkauft werden. Wichtig ist das Verständnis, dass frauenspezifische Angebote denselben Fallstricken unterliegen, wie traditionelle Angebote: Ein «Frauen-Label» schützt nicht von Fehlberatungen, schlechten Produkten, Interessenkonflikten und mangelnder Transparenz. Daher ist es wichtig, die Angebote genau zu verstehen, die Vergütung und Geschäftsmodelle bei Beratungen nachzuvollziehen und auf versteckte Kosten und Gebühren zu achten.
Bei der Wahl eines Finanzprodukts oder einer Finanzdienstleistung ist es schlussendlich entscheidend, dass man sich nicht von geschlechterspezifischem Marketing zum Kauf von überteuerten und unattraktiven Produkten oder Beratungen verleiten lässt. Vertrauen ist in der Finanzwelt seit jeher ein wichtiges Gut. Nicht umsonst pflegen Versicherungen und Banken gerne den persönlichen Kontakt, wobei vermeintliche Freundschaften mit Beraterinnen und Beratern immer mit Vorsicht zu geniessen sind – das gleiche gilt, wenn mit Slogans wie „von Frau zu Frau“ oder einer „persönlichen Atmosphäre“ geworben wird. Bei der Wahl einer Finanzdienstleistung sollte nie ein Vertrauensvorschuss gewährt werden.
Vergleichen lohnt sich, da in der Schweiz noch immer viele Finanzdienstleister auf hohe Gebühren und teuren Anlagefonds setzen. Insbesondere digitale Anbieter wie finpension sorgen mit einfachen, kostengünstigen und flexiblen Angeboten für einen Wandel und sind damit auch für Frauen eine spannende Anlageoption.
Schlussfolgerung
Die Entwicklung spezieller Finanzprodukte für Frauen oder frauenspezifische Beratungen sind ein zweischneidiges Schwert. Es ist zwar richtig und wichtig, dass der Fokus nun verstärkt auf Frauen gerichtet wird und auf die teils abweichenden Bedürfnisse, Präferenzen und Fragen eingegangen wird. Gleichzeitig dürfen sich Anbieter diesen Fokus nicht mit hohen Gebühren vergelten lassen. Für das gleichberechtigte Investieren ist es entscheidend, das auch Frauen Zugang zu den besten und kosteneffizientesten Produkten erhalten. Wenn Frauen aber gezielt einer separaten Anlegerkategorie zugeordnet werden, wird eine ungerechtfertigte Unterscheidung vorgenommen. Dies meist mit dem Ziel, Frauen einen vermeintlichen Mehrwert teuer zu verkaufen.
Richtigerweise sollten Finanzanbieter durch gezielte Kommunikation auf frauenspezifische Themen und Bedürfnisse eingehen, ohne aber daraus mittels überteuerten Nischenprodukten oder Beratungen Kapital zu schlagen. Eine erfolgreiche Einbindung aller in die Finanzwelt erfolgt durch das Anbieten der bestmöglichen Finanz- und Anlageprodukte sowohl für Frauen wie auch für Männer – zusätzliche Anstrengungen sind folglich nur bei der Mobilisierung der Frauen fürs Thema Investieren gerechtfertigt. Frauen haben das beste Angebot verdient, und das bedeutet, dass sie sich für die allgemein besten Produkte entscheiden sollten, anstatt sich unkritisch auf spezielle «Frauenprodukte» zu verlassen, die oft teurer und weniger leistungsstark sind.